CLAIM im Blick: Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen

CLAIM im Blick: Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen

31. Juli 2019

Erika Theißen ist Geschäftsführerin des Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V. (BFmF e.V.) in Köln. Der Verein engagiert sich durch Bildung, Beratung, Begegnung und Betreuung Frauen zu helfen, ihren Platz in der deutschen Gesellschaft zu finden und ihr Leben selbstbestimmt in Deutschland zu gestalten. 2011 erhält Erika Theißen für Ihr großes Engagement und ihre wertvolle Arbeit das Bundesverdienstkreuz. Wir haben mit ihr gesprochen.

Dr. Erika Theißen, Geschäftsführerin des BFmF e.V.

Seit wann gibt es Euch?

Das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (BFmF e. V.)  gibt es seit 1996. Wir wollten für uns muslimische Frauen einen Ort schaffen, in dem wir uns zwanglos treffen und gegenseitig unterstützen können, weil es in Köln damals hierzu keine Möglichkeiten gab.

Der Verein vereint von Integrationskursen über ein Arbeitslosenzentrum bis hin zu einer Kita sehr viel ‚unter einem Dach‘. Wie schafft ihr es, so breit aufgestellt zu sein?

Ja, wir sind wirklich sehr breit aufgestellt. Das Ganze hat sich aber langsam über 22 Jahre entwickelt. Jedes Jahr gingen wir eine neue Anerkennung an, so dass wir heute sehr breit aufgestellt sind:

Interkulturelles Zentrum der Stadt Köln (1997), Mitglied im DPWV  (1998), Muslimisches Frauenbildungswerk Köln (1998), Träger der freien Jugendhilfe (2000), Muslimisches Familienbildungswerk Köln (2004), Integrationskursträger über BAMF (2005), Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (2005), Schuldner- u. Insolvenzberatungsstelle (2007), Träger von Integrationsjobs (2007), ALG-II-Beratungsstelle (2008), Zertifiziert nach Art Set LQW (2010), Arbeitslosenzentrum (2011), Zertifiziert nach AZAV (2012),    Betriebserlaubnis Kita (2013), Familienzentrum (2014), Bildungsscheck-/ -prämien-/Bildungsberatung (2015), Erwerbslosenberatung (2016), Muslimische Akademie (2016), Flüchtlingsberatung (2017).

Wichtig für uns und unsere Entwicklung war es, dass mit jeder staatlichen Anerkennung in der Regel auch eine finanzielle Förderung verbunden ist, sodass wir unseren inhaltlichen Ausbau und unsere vielen Arbeitsbereiche hierdurch finanzieren konnten. In jedem Jahr stellten wir dann auch die entsprechenden Fachfrauen  ein, die für den Arbeitsschwerpunkt notwendig und gefordert waren. So verfügen wir heute über fast 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (90% Frauen) und  über Räumlichkeiten von mehr als 2000 qm.

Wir konnten im Jahre 2000 von der Stadt Köln einen Gebäudekomplex mieten, der damals recht heruntergekommen war und zudem in einem wenig entwickelten Stadtteil lag. Hierdurch war es uns möglich, nach und nach weitere Aufgabenbereiche und Projekte zu entwickeln und aufzubauen und das alles in diesen Räumlichkeiten. Dadurch, dass alles unter einem Dach ist und unsere Angebote ineinandergreifen, unterstützen sie sich gegenseitig und bieten ratsuchenden muslimischen (und anderen) Menschen mit Migrationshintergrund (aber auch ohne) ein umfassendes Hilfeangebot. Wir sind quasi ein Modell eines Muslimischen Wohlfahrtszentrums und möchten gerne zur Nachahmung auffordern.

Einer muslimischen Organisation wurde und wird zuerst einmal mit Vorbehalten begegnet: Sind die ebenso kompetent wie andere? Wer steckt tatsächlich dahinter? Haben sie mit Extremismus zu tun? Die Unterstellung mangelnder Professionalität und Ferne zum deutschen Wohlfahrtssystem führt dazu, dass eine muslimische Organisation zusätzliche Wege gehen muss, um Anerkennungen, Bewilligungen und finanzielle Förderungen zu erhalten.
Erika Theißen, Geschäftsführerin des Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (BFmF) e.V.

Welche Erfahrungen macht ihr mit antimuslimischem Rassismus in Eurer Arbeit?

Beim  Aufbau jedes einzelnen Arbeitsfelds hatten wir als Institution damit zu tun. Einer muslimischen Organisation wurde und wird zuerst einmal mit Vorbehalten begegnet:  Sind die ebenso kompetent wie andere? Wer steckt tatsächlich dahinter?  Haben sie mit Extremismus zu tun?  Die Unterstellung mangelnder Professionalität und Ferne zum deutschen Wohlfahrtssystem führt dazu, dass eine muslimische Organisation zusätzliche Wege gehen muss, um Anerkennungen, Bewilligungen und finanzielle Förderungen zu erhalten.

Bis heute erleben wir trotz unserer anerkannt guten und professionellen  Arbeit , dass wir nicht zu gemeinsamen sozialen oder Bildungsprojekten von anderen Trägern angefragt werden, es sei denn die Träger benötigen für ihre Zertifizierung im Bereich „Interkulturelles“ einen Kooperationspartner. Nach wie vor müssen wir, falls wir wieder nicht eingeladen wurden, nachfragen und auf einer Gleichbehandlung bestehen.

Unabhängig von unseren Erfahrungen als Institution, berichten uns natürlich viele muslimische Klient*innen in den Beratungssituationen häufig von Rassismuserfahrungen. Uns ist es ein großes Anliegen, die Menschen zu ermutigen, etwas dagegen zu unternehmen, zum Beispiel indem sie  Anlaufstellen wie die Antidiskriminierungsbüros aufzusuchen.

Die  Integrationsagentur des BFmF e.V. hat als Schwerpunkt die Antidiskriminierungsarbeit, die in letzter Zeit immens an Bedeutung gewonnen hat. Unsere Intention ist es, über antimuslimischen Rassismus zu informieren, dass dieser als eine spezielle Form des Rassismus auftritt.

Welche Chancen seht ihr in einem Netzwerk von Akteuren, die gegen antimuslimischen Rassismus aktiv sind?

Ein Netzwerk ist wichtig, vor allem um die Kräfte zu bündeln. Gemeinsam gelingt es uns besser, antimuslimischen Rassismus in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Politisch kann ein Netzwerk mehr erreichen als die einzelne Organisation. Auch bei Kampagnen, wie dem „Tag gegen antimuslimischen Rassismus“ am 01. Juli, ist es von Vorteil, als Netzwerk aufzutreten und gemeinsame Aktionen  durchzuführen.

Das Interview führte Theresa Singer für CLAIM.