CLAIM im Blick: Abrahamisches Forum

Julia Wolter, Abrahamisches Forum

Das Abrahamische Forum setzt sich über einen interreligiösen Dialog für ein friedliches Zusammenleben ein. Julia Wolter erzählt im Interview mit CLAIM von den interkulturell und interreligiös geschulten Teams, die in Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen über die verschiedenen Glaubensrichtungen informieren und darüber auch zum Abbau von Unkenntnis und Vorteilen beitragen.

Das Abrahamische Forum ist ein Zusammenschluss von Juden, Christen, Muslimen und Bahá‘i, die sich über einen interreligiösen Dialog für ein friedliches Zusammenleben einsetzen. Wie sieht Eure alltägliche Arbeit aus?
Das Abrahamische Forum ist ein Verein, bei dem verschiedene Projekte angesiedelt sind, die sich auf unterschiedliche Weise für den interreligiösen Dialog einsetzen. So gibt es das Projekt „Abrahamische Teams“. Solche Teams bestehen aus interkulturell und interreligiös qualifizierten Mittler*innen aus dem Judentum, Christentum, Islam und der Bahá’i-Religion. Sie kommen gemeinsam zu Veranstaltungen, um in der schulischen und außerschulischen Bildung über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Glaubensrichtungen zu informieren. Sie stellen ihre Positionen zu unterschiedlichen Themen dar und suchen den offenen und kritischen Dialog. Damit soll das Gespräch zwischen Angehörigen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen angeregt und zum Abbau von Unkenntnis und Vorurteilen beigetragen werden. Das Abrahamische Forum spielt dabei die Rolle des Vermittlers. Die Teams können bei uns angefragt werden. Den Pool der über 200 Mitwirkenden versuchen wir stetig zu erweitern.
In einem weiteren Projekt fördert das Abrahamische Forum solche Teams in Mittelmeerländern wie Ägypten, Israel und Marokko.

Ein weiteres spannendes Projekt heißt „Religionen für biologische Vielfalt“. Das Projekt basiert auf einer im Jahr 2015 verabschiedeten „Gemeinsamen Erklärung“ von Vertreter*innen von neun Religionsgemeinschaften, Naturschutzeinrichtungen und staatlichen Stellen. Zu den Zielen in der „Gemeinsamen Erklärung“ gehören u.a. die Durchführung Religiöser Naturschutztage im September, die Umgestaltung von Freiflächen zu Orten der biologischen Vielfalt, die Einrichtung religiöser Teams für den Naturschutz und die Koordinierung eines Netzwerks. Das Projekt will nicht nur die Religionen an ihre Aufgabe bei der Bewahrung der Schöpfung bzw. Schutz der Natur erinnern und dazu anregen, aktiv zu werden, sondern auch dem interreligiösen Dialog dienen. Die gemeinsame Aufgabe ermöglicht den Religionen Vorurteile und Konflikte untereinander abzubauen und zusammen zu arbeiten.
Bei den jährlich weit über 100 Veranstaltungen ist die wichtigste Arbeit des Abrahamischen Forums die Vernetzung der Akteure, das Organisieren von interreligiösen Veranstaltungen und die Informationsverbreitung. Damit geht einher, Fördergelder für die Projekte zu beantragen und zu verwalten. Außerdem produzieren wir interreligiöses Informationsmaterial, wie die noch 2019 erscheinende Publikation „Der Natur auf der Spur – Naturschutz und religiöse Feste“. Organisiert wird ebenfalls das 2002 gegründete Deutsche Islamforum, das sich Themen des Zusammenlebens mit Muslimen widmet.

Ihr habt sogenannte „Abrahamische Teams“ gebildet, um in der schulischen und außerschulischen Bildung über Gemeinsamkeiten und Unterschiede im jüdischen, christlichen, muslimischen Glauben zu informieren. Auf welche Herausforderungen stoßt ihr dabei?
Bei der Bildung der Teams gab es selten Probleme, da die Arbeit auf Freiwilligen-Basis beruht und die Referierenden, die sich engagieren, der interreligiösen Zusammenarbeit offen gegenüberstehen.  Einige seltene Komplikationen gab es bei der Durchführung von Veranstaltungen. Ein Beispiel: Bei einer Veranstaltung im Rahmen des Religionsunterrichts einer Schule sollte der evangelische Unterricht und der islamische Unterricht für die Veranstaltung mit dem Team zusammengelegt werden. Leider funktionierte die Organisation der Schule nicht ausreichend, sodass am Ende nur die evangelische Klasse anwesend war. Insgesamt kam es nur zu sehr wenigen Veranstaltungen mit muslimischen Klassen, da der Kontakt zu muslimischen Lehrern bisher wenig ausgebaut ist. Außerdem ist das Schulcurriculum generell sehr eng getaktet, weshalb es schwierig ist, Veranstaltungen zeitlich unterzubekommen. Auffällig ist, dass viele Schüler*innen wenig über die Religionen wissen, sogar über die eigene Religion. So ist der Unterschied zwischen katholisch und evangelisch kaum bekannt oder es wussten Kinder nichts mit dem Begriff „Synagoge“ anzufangen.

Auffällig ist, dass viele Schüler und Schülerinnen wenig über die Religionen wissen. Sogar über die eigene Religion.
Julia Wolter, Abrahamisches Forum

Welche Rolle spielt antimuslimischer Rassismus in Eurer Arbeit?
Antimuslimischer Rassismus spielt häufig eine Rolle, ebenso wie Antisemitismus und anderer religionsbezogener Rassismus. Wir bekommen immer wieder Berichte von unseren Abrahamischen Teams, aber auch vereinzelt von Lehrer*innen und Eltern, über Vorurteile gegenüber Muslim*innen in den Schulen. In einigen Fällen äußert sich das sogar in Mobbing. Uns erreichen auch Mitteilungen von Betroffenen über Angriffe und Attacken auf sie oder ganze Gemeinden. So gab es im April 2018 einen Anschlag auf eine Darmstädter Moschee. Dort wurden Pflastersteine durch die Eingangstür geworfen und die Wände beschmiert.
Im Rahmen unseres Deutschen Islamforums wurde die Broschüre „Antimuslimischer Rassismus. Wandel durch Kontakte“ angeregt und bearbeitet, die inzwischen in vierter Auflage erschienen ist.

Welchen Mehrwert versprecht ihr Euch durch die Vernetzung über CLAIM für Eure Arbeit?
Besonders in Bezug auf antimuslimischen Rassismus sind Handlungsspielräume begrenzt. Da wir nur ein sehr kleiner Verein mit wenigen Mitarbeitenden sind, ist allein der zeitlich Aspekt ein Problem. Durch die Vernetzung mit CLAIM können wir muslimische Menschen, die zu uns kommen, weil sie rassistische Angriffe erlitten haben, mit CLAIM vernetzen. Das CLAIM-Netzwerk kann sich weitaus intensiver um die betreffenden Personen kümmern oder auch Kontakt herstellen zu Personen, die in diesen bestimmten Fällen beraten können oder ähnliche Situationen erlebt haben.
So kam erst kürzlich eine Organisation auf uns zu, die wir aus vergangener Zusammenarbeit bereits gut kennen und schätzen, und bat uns um Rat bezüglich der Korrespondenz mit den Medien. Oft sind Hintergründe und Zusammenhänge von Journalisten nicht ausreichend recherchiert oder Islam-Kritiker werden als Experten zu Rate gezogen, die das Ziel verfolgen, nur die negativen Seiten der Religionen darzulegen. Dadurch entsteht ein kritischer bis negativer Ton in den Artikeln und die betreffenden muslimischen Organisationen und Personen werden in ein subjektives, meist wenig gutes Licht gerückt. CLAIM war uns in dieser Situation eine große Hilfe, da wir darüber schnell die betreffende Organisation mit Menschen vernetzen konnten, die bereits Erfahrungen in der Arbeit mit Medien haben und Ratschläge geben konnten.

Das Interview führte Theresa Singer für CLAIM.