
Klarstellung zur Berichterstattung zu CLAIM vom 21., 22. und 23. Juni 2025
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17. Juni 2025
Die Zahl antimuslimischer Vorfälle erreicht einen neuen alarmierenden Höchststand. 3.080 Übergriffe und Diskri-minierungen wurden 2024 dokumentiert – ein Anstieg um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2023: 1.926). Das ent-spricht im Durchschnitt mehr als 8 Fällen pro Tag (2023: 5). Darunter sind mehr als 70 Angriffe auf religiöse Einricht-ungen wie Moscheen. Die Jahresbilanz zeigt: Antimuslimischer Rassismus ist keine Randerscheinung. Er reicht von der Straße bis ins Klassenzimmer, vom Wartezimmer bis ins Rathaus. Er wirkt in Behörden, am Wohnungsmarkt, in Kom-mentarspalten – und er wird brutaler. Insgesamt wurden mehr schwere Übergriffe in Form von Körperverletzungen (198) und Tötungsdelikten (2) erfasst. Ein großer Teil der dokumentierten Vorfälle trifft vor allem Frauen* und findet im öffentlichen Raum sowie im Bildungsbereich statt. Insgesamt ist von einer gravierenden Dunkelziffer antimuslimischer Vorfälle auszugehen.
„Wir erleben in Deutschland eine neue Eskalationsstufe antimuslimischer Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung“, so Rima Hanano, Co-Geschäftsführung von CLAIM. „Wir verzeichnen nicht nur einen massiven Anstieg, sondern auch eine neue Qualität von antimuslimischem Rassismus in Form einer zunehmenden Normalisierung, Enthemmung und Brutalität. Frauen mit Kopftuch werden bespuckt. Kinder werden auf dem Schulweg beschimpft. Moscheen werden mit Hakenkreuzen beschmiert. Menschen verlieren Wohnungen, Jobs, Sicherh eit, Würde. Antimuslimischer Rassismus ist keine Randerscheinung – er bedroht die Sicherheit von Menschen, die Teilhabe und das Vertrauen in unsere Demokratie – jeden Tag. Die Bundesregierung muss jetzt handeln – mit einer klaren Haltung und konkreten Maßnahmen.“
Staatsministerin Natalie Pawlik, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zugleich Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus: „Gewalt, Ausgrenzung und Beleidigungen gegen Musliminnen und Muslime sind Alltag in Deutschland. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Wir müssen das ganze Ausmaß von antimuslimischem Rassismus benennen und deutlich dagegen vorgehen. Dafür leisten CLAIM und das Netzwerk mit dem Lagebild einen wichtigen Beitrag. Denn nur wenn antimuslimischer Rassismus für alle sichtbar ist, können wir ihn auf allen Ebenen gezielt zurückdrängen. Dabei ist auch jede und jeder Einzelne in unserer Gesellschaft gefragt: Bei Vorfällen widersprechen, einschreiten und solidarisch sein!“
Die im Lagebild dokumentierten Vorfälle reichen von Beleidigungen und körperlichen Angriffen über Diskriminierung bis hin zu Angriffen auf Moscheen. Rund 71 % der betroffenen Einzelpersonen waren Frauen*. Sichtbar muslimische Frauen* sind besonders häufig Ziel rassistisch und sexistisch motivierter Gewalt. Auch Kinder werden verbal und körperlich angegriffen.
Besonders auffällig: Nach dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 stieg die Zahl antimuslimischer Vorfälle stark an – parallel zu antisemitischen Vorfällen. Auch infolge des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember 2024 wurde im Raum Magdeburg eine Zunahme von antimuslimischen Übergriffen und Bedrohungen verzeichnet. Mediale und politische Debatten um Sicherheit, in denen der Islam vor allem als Gefahr und Muslim*innen als Sicherheitsrisiko thematisiert und unter Generalverdacht gestellt wurden, haben demzufolge konkrete, manifeste Folgen für die Sicherheit von muslimischen Menschen sowie Menschen, die so wahrgenommen werden.
Die Erkenntnisse des Lagebildes decken sich mit repräsentativen Studien zu antimuslimischen Einstellungen und Diskriminierungs-erfahrungen, mit der Statistik der politisch motivierten Kriminalität (PMK) für das Jahr 2024 sowie mit Auswertungen von Beratungsstellen: 2024 wurden 1.848 islamfeindliche Straftaten behördlich erfasst – ein Anstieg um 26 % im Vergleich zum Vorjahr (KPMD-PMK Statistik, 2025, Fallzahlen 2024).
Dr. Cihan Sinanoğlu, Leiter der Geschäftsstelle Rassismusmonitor (NaDiRa) am DeZIM-Institut: „Auch unsere aktuellen NaDiRa-Daten zeigen in aller Deutlichkeit: Antimuslimischer Rassismus ist eine tiefgreifende Realität im Alltag vieler Menschen in Deutschland. Besonders muslimische Frauen sind häufig mehrfach betroffen – 61 % der Befragten erleben subtile Ausgrenzung, 37 % institutionelle Diskriminierung oder strukturelle Benachteiligung. Unsere Daten belegen nicht nur das Ausmaß dieser Erfahrungen, sondern auch ihre Folgen: Wer Diskriminierung durch staatliche Institutionen wie Polizei oder Behörden erlebt, verliert das Vertrauen in sie – und damit in die demokratische Ordnung. Unter Muslim*innen ist das Vertrauen in politische Repräsentant*innen mittlerweile so gering wie in keiner anderen der untersuchten Bevölkerungsgruppen. Rassismus ist kein Randphänomen. Er gefährdet das gesellschaftliche Zusammenleben. Die politische Reaktion darauf darf nicht Relativierung oder Schweigen sein – sie muss klar, evidenzbasiert und solidarisch sein: gegen antimuslimischen Rassismus und für gleichberechtigte Teilhabe aller.“
Die Dunkelziffer antimuslimischer Vorfälle ist insgesamt hoch: Antimuslimischer Rassismus wird häufig nicht als solcher erkannt. Viele Betroffene melden Vorfälle zudem nicht – aus Angst und Misstrauen gegenüber Behörden oder fehlendem Zugang zu Beratungsangeboten.
„Es bestehen nach wie vor große Defizite in der Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus. Antimuslimische Vorfälle müssen besser erfasst werden – durch die Polizei einerseits und durch die Zivilgesellschaft andererseits. Menschen brauchen außerdem spezialisierte Beratungsstellen und Unterstützung – flächendeckend in ganz Deutschland. Niemand darf mit seiner Erfahrung allein gelassen werden. Und wir benötigen einen neuen, längst überfälligen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus – mit verbindlichen Maßnahmen gegen antimuslimischen Rassismus, mit messbaren Zielen und einem festen Zeitrahmen. Und Betroffenen müssen dabei beteiligt werden. Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass sich in Deutschland alle Menschen sicher, zugehörig und respektiert fühlen können“, sagt Rima Hanano.
Weitere Informationen zur Jahresbilanz, zu den Handlungsempfehlungen sowie Hintergrundinformationen sind der Publikation „Zivilgesellschaftliches Lagebild antimuslimischer Rassismus 2024“ zu entnehmen. Das Lagebild ist in der Kurz- und Langversion als Download abrufbar unter: www.claim-allianz.de/aktuelles/publikationen oder auf Anfrage erhältlich.
In das Lagebild sind Fallzahlen von 26 regionalen Melde- und Beratungsstellen aus 13 Bundesländern, bundesweite Meldungen über das Meldeportal „I Report“, bundesweite Fallzahlen aus der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität 2024 sowie aus Pressemeldungen der Polizei und Vorfallsmeldungen aus Medienberichten für das Jahr 2024 eingeflossen.
Zentrale Ergebnisse zivilgesellschaftliches Lagebild antimuslimischer Rassismus 2024:
Zur Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus und zum Schutz Betroffener formuliert CLAIM im Lagebild insgesamt 10 zentrale Handlungsempfehlungen. Hierzu gehören:
Antimuslimische Vorfälle – Fallbeispiele aus der Jahresbilanz 2024:
Über CLAIM: CLAIM vereint und vernetzt über 50 muslimische und nichtmuslimische Akteure der Zivilgesellschaft und bildet eine breite gesellschaftliche Allianz gegen antimuslimischen Rassismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit. CLAIM wird unter anderem gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und durch das Bundesministerium des Innern (BIM) im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz (DIK).
Weitere Informationen zu CLAIM unter www.claim-allianz.de.
Herausgeber des Lagebildes ist CLAIM. Gefördert wird das Lagebild vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und Bundesministerium des Innern (BMI) im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz.
Für Presseanfragen wenden Sie sich gerne an:
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